Emma Raducanu: Bricht im Damentennis eine neue Ära an?

tobi-redaktionTobi
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Mit ihrem märchenhaften Sturmlauf auf den US-Open-Thron bot die blutjunge, aber taktisch ausgereifte Qualifikantin Emma Raducanu eine erfrischende Abkehr vom eindimensionalen Powertennis. Auf eine Zeitenwende bei den Damen lässt auch ihre spielerisch so raffinierte und nur wenige Wochen ältere Finalgegnerin Leylah Fernandez hoffen.

Dunkle Wolken vor US-Open-Start

Wenige Tage vor dem US Open fragte sich die Tennisszene, ob der Einzelbewerb der Damen in diesem Jahr überhaupt einen Reiz entwickeln könnte. Sowohl Venus als auch Serena Williams hatten ihre Nennungen verletzungsbedingt zurückgezogen, Letztere noch immer auf der Jagd nach dem 24. Grand-Slam-Titel.

Dann musste auch noch mit Sofia Kenin, als Nummer sechs der Welt beste Amerikanerinnen im WTA-Ranking, eine weitere Lokalmatadorin absagen. Sie hatte sich trotz Impfung mit dem Coronavirus infiziert.


Die Absage von Sofia Kenin ereilte Fans unter anderem via Twitter.

Und was schlecht anfing, wurde schlimmer. Jennifer Brady, nächstbestes US-Girl in der Weltrangliste, konnte ebenfalls nicht antreten, ihre Landsfrauen Madison Keys und Sloane Stephens, Finalistinnen 2017, wurden in Runde eins gegeneinander gelost.

Feuerwerk zweier Sensationsfinalistinnen

Die Bad News nahmen in der ersten Turnierwoche ihren Lauf: So scheiterten mit der topgesetzten Ashleigh Barty und der Nummer drei Naomi Ōsaka zwei internationale Ticketseller in Runde drei, die Japanerin in einer dramatischen Darbietung launenhaften Unbehagens. Die emotional angeschlagene Titelverteidigerin verließ Flushing Meadows unter Tränen und erklärte, sich eine Pause vom Tennis auf unbestimmte Zeit nehmen zu wollen.

tennis-wetten-icon-microsoft-64x64.pngDoch unverhofft endete das Turnier trotz aller Widrigkeiten in glanzvoller Manier mit einem leidenschaftlichen Schlagabtausch zweier zauberhafter, weitgehend unbekannter Teenager. Emma Raducanu, 18 Jahre jung und erste Qualifikantin in einem Grand-Slam-Finale, rang die kämpferische, nur wenige Wochen ältere Leylah Fernandez nieder, die ihrerseits zuvor eben Ōsaka, Angelique Kerber, Elina Switolina und Aryna Sabalenka aus dem Weg geräumt hatte.

Mehr als beeindruckend: Diese Tennisgrößen räumten Raducanu und Fernandez auf ihrem Weg ins Finale aus dem Weg.

Zehn Matches ohne Satzverlust zum Titel

Inklusive Qualifikation musste Raducanu zehn Matches bis zum US-Open-Titel bestreiten, keinen einzigen Satz gab die körperlich so robuste Rechtshänderin dabei ab. Angesichts des in den letzten zwei Jahrzehnten vorgeherrschten, eher eindimensionalen Powertennis auf der Damenseite kann man die Spielanlage der ersten britischen Major-Gewinnerin seit dem Wimbledon-Sieg von Virginia Wade vor 44 Jahren, als durchaus klassisch bezeichnen.


Raducanu posiert für die Fotografen mit ihrer Trophäe.

Raducanu schwebt förmlich geschmeidig über den Court und generiert durch ihre frühe Ballannahme und einem exzellenten Timing erstaunlichen Druck. Flink auf den Beinen, versteht sie es, Bälle auszugraben, die von ihrer Kontrahentin längst als Winner wahrgenommen werden. Was sie aber von anderen mit einem ruhigen Schwung ausgestatteten Grundlinien-Spielerinnen unterscheidet, ist die nicht nachlassende Aggressivität.

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Auch Fernandez mit Starpotenzial

Doch auch Finalgegnerin Fernandez, die davor sechs Monate lang keine zwei Matches in Serie gewonnen hatte, hebt sich mit ihrer Schnelligkeit und dem überaus facettenreichen Spielwitz vom modernen, von Kraft geprägten Damentennis erfrischend ab. Nur 1,68 Meter misst die Kanadierin, strotz aber vor dem im intensiv-psychologischen Tennisbusiness so wichtigen Mumm.

Ihren Größennachteil kompensierte die Tochter einer Philippinerin und eines Ecuadorianers mit verblüffender Beinarbeit, einem tiefen Schwerpunkt und einem Linkshänder-Aufschlag in allen nur denkbaren Schnittvarianten.

Alle Highlights aus der packenden Finalpartie.

14 Major-Gewinnerinnen in fünf Jahren

Letztlich stellte sich das US Open trotz aller anfänglicher Skepsis also tatsächlich als außergewöhnlich heraus. „Das Turnier spiegelt das aktuelle Niveau des Damentennis und die Breite des Feldes wider", konstatierte Raducanu im Anschluss. Ein Blick auf die Statistik unterstreicht diese Aussage: Die Rechtsauslegerin, am Montag nach dem Finale in der Weltrangliste um 127 Plätze auf Position 23 vorgespült, ist die 14. unterschiedliche Grand-Slam-Siegerin seit 2017.

„Das Turnier spiegelt das aktuelle Niveau des Damentennis und die Breite des Feldes wider."
– Emma Raducanu über die US Open 2021.

Der historische Triumph von New York stellte für die furchtlose Rampenlicht-Novizin, die schon bei ihrem premieren Major-Auftritt in Wimbledon erst im Achtelfinale von Atemproblemen gestoppt wurde, die krönende Abrundung zweier lebensverändernder Monate dar.

An English Girl in New York

Nachdem sie sich ein paar Tage Erholung abseits des Courts im Big Apple gönnte, u.a. die glamouröse Met Gala und zahlreiche US-Fernsehshows besuchte, scheint die in Kanada geborene und im Alter von zwei Jahren nach England gezogene Tochter einer Chinesin und eines Rumänen wieder bereit zu sein, auf den Trainingsplatz zurückzukehren.


Raducanu bei der Met Gala und bei „Good Morning America".

Nach den US Open wollte ich das Tennis eine zeitlang komplett ausblenden. Diese drei Wochen waren einfach wahnsinnig intensiv", wird Raducanu auf der offiziellen Website der Spielerinnenvereinigung WTA zitiert. „Jetzt werde ich mit dem Training beginnen, bin mir aber nicht sicher, wann ich wieder ins Turniergeschehen einsteige."

Tour-Rückkehr wohl in Indian Wells

Den genauen Zeitpunkt lässt sich Raducanu demnach offen. Ursprünglich hatte sie für die Qualifikation zum WTA-Turnier in Chicago genannt, doch dürfte sich ihr Comeback bis zum vom Frühling in den Oktober verlegten Wüstenklassiker von Indian Wells verzögern. Und eine Wildcard werden die Veranstalter des 1000er-Events dem inzwischen nach London heimgekehrten Shootingstar wohl kaum verwehren.

hinweis ausrufezeichenDie Spielpause ist nicht Raducanus erste in jüngerer Vergangenheit, selbst ein längerer Abstand vom Tennis scheint der Abiturientin keineswegs zu schwächen. Während der Corona-Pandemie schloss Raducanu ihre Schullaufbahn ab, griff in dieser Phase 18 Monate lang kein einziges Mal zum Schläger. „Danach habe ich jedes Match gespielt, als wäre es mein letztes. So habe ich es den gesamten Sommer angelegt."

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Autor: Tobi
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