Performance Byes: Wirbel um neue Freilos-Regel der WTA

tobi-redaktionTobi
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Eine kurzerhand von der WTA durchgesetzte Regeländerung, die Formstärke bei den Freilos-Vergaben von Turnieren mehr honoriert als die Weltranglistenplatzierung, stößt einigen Spielerinnen mächtig auf. Dabei könnte die Grundidee dieser Performance Byes durchaus Sinn ergeben. Nach einer Testphase am Asian Swing dürfte eine neue Evaluierung erfolgen.

Dicke Luft am Damen-Circuit

Die WTA durchlebt aktuell stürmische Zeiten. Zunächst stand die Vereinigung der Profispielerinnen wegen der gegenüber gleichwertigen Turnieren der ATP-Tour wesentlich geringeren Preisgelder in der Kritik. Hinzu kamen kontrovers diskutierte Fragen auf, wie etwa die Saudi-Arabien in Aussicht gestellte Organisation von prestigeträchtigen Tour-Events, die umstrittene Rückkehr des Damen-Circuits nach China oder der immer wieder hochkochende Ärger über späte Ansetzungen von Matches, die erst weit nach Mitternacht enden.

Insofern war davon auszugehen, dass sich die WTA auf besinnliche letzte Wochen des Tennisjahres einstellen würde. Weit gefehlt! Viel mehr brachte Standesvertretung der Sportlerinnen mit einer einscheidenden Regeländerung ein weiteres polemisches Thema auf den Court, die nur sehr kurz vor ihrer Einführung angekündigt wurde und direkte Auswirkungen auf Ergebnisse hat.

Top 3 in China gleich im Einsatz

infoSchon letzte Woche in Tokio und auch beim aktuellen WTA1000-Event in Peking für die Setzungen angewandt, bekommen Akteurinnen nach starken Leistungen beim vorangegangenen Turnier für das darauffolgende Event einen sogenannte Performance Bye als Belohnung.

Während Jessica Pegula, Maria Sakkari, Anastasia Pavlyuchenkova und Veronika Kudermetova für ihr jeweiliges Erreichen des Semifinales in Japan mit einem Freilos bei den aktuell laufenden China Open honoriert wurden, mussten die topgesetzten Aryna Sabalenka, Iga Swiatek und Coco Gauff schon in der ersten Runde auf den Platz.

Rybakina zieht Tokio-Nennung zurück

Die Regeländerung ist als Paradigmenwechsel zu bewerten, blieb doch bisher den in der Weltrangliste am höchsten gereihten Spielerinnen die oft heikle Auftaktrunde erspart, womit der über das ganze Jahr gezeigten Konstanz Rechenschaft getragen wurde.

Vor allem die plötzliche Ankündigung ließ Profis und Fans konsterniert. „Danke, dass ihr in letzter Minute die Regeln geändert habt. Tolle Entscheidung, WTA. Wie immer", schrieb etwa Elena Rybakina unmittelbar vor den Japan Open in Tokio in einer Instagram-Story. Letztlich zog die Weltranglistenfünfte ihre Nennung mit der Begründung zurück, sie sei physisch noch nicht für ein Turniermatch bereit.

elena-rybakinaElena Rybakina zog ihre Nennung für Japan zurück.MehrWeniger

Obwohl sich die Performance Byes am Asian Swing lediglich in einer Testphase befinden und noch keine permanente Regeländerung darstellen, ist die Diskussion voll entbrannt. So würde die Art der Freilos-Vergabe die Glaubwürdigkeit der Resultate im Laufe der Saison untergraben, da die neue Richtlinie nicht seit Beginn des Tennisjahres zum Einsatz kam, so die häufig geäußerte Kritik.

Unterschiedliche Turnierkategorien

Ich verstehe nicht, wie man Spielerinnen für ein Semifinale bei einem Turnier der unteren Kategorie ein Freilos für das anschließende 1000er geben kann", weist Aryna Sabalenka, die in Peking mit Sofia Kenin eine ehemalige Grand-Slam-Siegerin als Erstrundengegnerin vorgesetzt bekam, auf ein anderes Problem der leistungsorientierten Byes hin.

Man muss sich einen späteren Einstieg in den Bewerb verdienen. Es geht um Konstanz und nicht nur darum, bei nur einem Event gut abzuschneiden."
– Aryna Sabalenka

Das Argument der Branchenprima wird vom Beispiel Anastasia Pavlyuchenkova untermauert, die von einem Performance Bye in Peking profitierte. Dass die Russin ihre Qualitäten hat, konnte sie nicht zuletzt mit dem Finaleinzug in Roland-Garros 2021 unter Beweis stellen. Dennoch wird sie sich selbst eingestehen, dass die vergangenen zwei Jahre nicht unbedingt nach Plan verlaufen sind. Trotzdem erhielt Pavlyuchenkova als Nummer 62 der Welt für China ein Freilos - und ging prompt in der zweiten Runde sang- und klanglos unter.

aryna-sabalenkaAryna Sabalenka sieht die neue Regel kritisch.MehrWeniger

Fehlende Planungssicherheit

Unterstützung erfährt Sabalenka in ihrer Meinung von Ons Jabeur.

Die Regel ist verwirrend und wurde von der WTA schlecht kommuniziert. Wenn du von einem Kontinent zum anderen reist, wird es besonders mühsam, weil man schwer planen kann. Ich dachte, dass ich in Ningbo ein Freilos habe, musste dann aber gleich in der ersten Runde auf den Platz."
– Ons Jabeur

Doch finden sich auch Befürworterinnen der Performance Byes, wie Caroline Garcia oder Maria Sakkari, denen die Regel allerdings schon zugute kam. Aber selbst Iga Swiatek, die als Nummer zwei der Welt bei den China Open gleich zum Auftakt ran musste, kann sich mit der neuen Freilos-Vergabe anfreunden.

Ich habe mich zwar noch nicht allzu sehr damit beschäftigt. Aber grundsätzlich macht es Sinn. Wenn du ein Turnier bis zum Ende spielst, musst du im Normalfall sofort zum nächsten Tour-Stopp eilen und hast kaum Zeit, dich darauf vorzubereiten."
– Iga Swiatek

Zu enger Beobachtungszeitraum

Formstarke Spielerinnen zu honorieren, erscheint tatsächlich nachvollziehbar. Der extrem knapp bemessene Beobachtungszeitraum für die Vergabe der Freilose wirkt aber fragwürdig, kann eine Außenseiterin bei nur einem Turnier doch bald einmal einen Lauf haben. Die Ergebnisse der vorangegangenen zwei Monate heranzuziehen, könnte ein möglicher Kompromiss sein.

Vielleicht erfolgen ja schon nach dem Asian Swing erste Anpassungen, um erfolgreiche Protagonistinnen mehr Zeit zur Regeneration zu gewähren. Die ersten Reaktionen aus der Szene waren aber überwiegend skeptisch. Schließlich ist gut gemeint nicht immer gut.

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Autor: Tobi
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