Analyse: Das Potenzial der Iga Swiatek

tobi-redaktionTobi
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Von den letzten fünf Grand-Slam-Turnieren gewann Iga Swiatek drei, in Roland-Garros jubelte die Polin über ihren insgesamt vierten Major-Titel. Doch wozu ist die erst 22 Jahre alte Weltranglistenerste noch fähig? Sie selbst vermeidet eine klare Ansage, für weitere Höchstleistungen wohl nicht die schlechteste Entscheidung.

Nummer eins abgesichert

Eine beliebte Frage an Tennisprofis, die dabei sind, gleich mehrere Grand-Slam-Titel zu gewinnen, lautet: Was kommt als Nächstes? Was folgt: Welche Ziele setzt du dir jetzt? Was willst du noch erreichen? Wie viele Major-Triumphe traust du dir zu?

Bei Iga Swiatek machen derartige Fragen wenig Sinn, obwohl nach dem Damenfinale der French Open etliche Versuche in diese Richtung gingen. Mit dem spannungsgeladenen und von beiden Seiten spielerisch hochklassigen 6:2, 5:7, 6:4 über Karolina Muchova feierte die Polin bereits ihren vierten Triumph bei einem der vier größten Turniere im Tennissport, drei davon holte sie in Roland-Garros. Schon der Finaleinzug sicherte ihren Spitzenposition im WTA-Ranking ab, die sie seit April 2022 hält.

Kein deklariertes Karriereziel

Ich mache einfach weiter", sagte Swiatek nach dem Pariser Showdown.

Meine gesamte Karriere lang habe ich immer nur versucht, so viel wie möglich zu gewinnen und ich denke nicht, dass jemand seine unsere Grenzen kennen, bevor wir zurücktreten oder sehr lange auf der Tour sind. Aber ich bin erst 22 und habe keine Ahnung, wie weit die Reise noch gehen kann."

Beim letzten Satz musste sie selbst ein bisschen kichern. Zum jetzigen Zeitpunkt genaue Karriereziele zu definieren und Spekulationen über allfällig zukünftige Erfolge laut auszusprechen, würden nur eine unnötige Erwartungshaltung und zusätzlichen Druck bilden - von ihr selbst und der Öffentlichkeit.

Einerseits die Erwartung, weiterhin so viel gewinnen wie zuletzt. Zum anderen Druck, den bisherigen Erfolgen gerecht zu werden und sie womöglich noch zu überflügeln.

RufzeichenDenn tatsächlich wurde der mit hoher Intensität und gleichzeitig großem Variantenreichtum agierenden Rechtshänderin in diesem Jahr ein kleines Formtief angedichtet. Dabei weist Swiatek auch in der laufenden Saison die beste Siegquote auf, 35 Matches konnte sie 2023 für sich entscheiden, nur sechs gingen verloren.

Erfolg als Bürde

Ich schaue nicht auf die Zahlen und weiß auch nicht, wozu ich noch imstande bin", wich die 14-fache Turniersiegerin auf der WTA-Tour Fragen zur Einschätzung ihres Potenzials verständlicherweise aus.

Ich arbeite jeden Tag hart, um das Beste aus mir herauszuholen und mein Spiel zu entwickeln. Irgendwelche verrückten Rekorde will ich mir erst gar nicht als Ziel setzen. Am Boden zu bleiben, ist der beste Weg, um Erfolg zu haben."

Doch spricht Swiatek, neben Novak Djokovic, Rafael Nadal, Venus Williams und Naomi Osaka fünfte Spielerin in der Tennisgeschichte mit zumindest vier Grand-Slam-Siegen, oft auch über die Bürde, die all ihre Meriten mit sich bringen.

Ich habe das Gefühl, immer unbedingt gewinnen zu müssen. Vielleicht sollte ich einfach etwas furchtlosere auftreten."

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Komplette Sandspielerin

Den Titel bei den French Open erfolgreich verteidigt hatte vor ihr zuletzt Justine Henin, die von 2005 bis 2007 dreimal in Folge die Coupe Suzanne Lenglen stemmen durfte, Swiatek gewann drei der jüngsten vier Auflagen in Roland-Garros.

pokalSie wird den Pokal garantiert noch öfter holen", ist Turnierdirektorin Amelie Mauresmo überzeugt, selbst zweimalige Major-Gewinnerin und ehemalige Nummer eins. „Iga ist mental sehr stark, bewegt sich phänomenal, rutscht außergewöhnlich gut auf Sand und hat ein komplettes Spiel für diesen Belag."

Riesentöterin Muchova

Mit zwölf von 15 Punkten hatte die Titelverteidigerin einen Traumstart ins Finale hingelegt und war auch im zweiten Satz mit 3:0 in Führung gegangen, ehe die so spielintelligente Muchova ihren Rhythmus fand und das Match zu einem offenen Schlagabtausch gestaltete.

Und Swiatek war durchaus gewarnt, denn immerhin hatte die Tschechin vor dem Endspiel am Court Philippe-Chatrier in fünf Duellen mit Widersacherinnen aus den Top 3 stets die Oberhand behalten, den einzigen Vergleich zwischen den zwei Finalistinnen hatte ebenfalls Muchova gewonnen.

Erst als die Herausforderin in der Entscheidung bei 4:3 mit Break voran servierte, begann die Warschauerin weniger nachzudenken und mehr ihren Instinkten zu vertrauen. Ergebnis: Sie holte die folgenden drei Games und den Titel.

Was ist noch möglich?

Gegen Iga musst du immer den Fokus halten. Die Bälle kommen irrsinnig schnell zurück, sie macht keine leichten Fehler. Du musst jede sich bietende Möglichkeit nützen, weil vielleicht keine weitere kommt", erzählt Muchova. „Deshalb ist sie die Nummer eins der Welt. Du musst dein höchstes Level abrufen, um nur irgendeine Chance zu haben."

Ganz gelang es ihr nicht, doch immerhin gab Swiatek in ihrem vierten Grand-Slam-Finale erstmals einen Satz ab. Nur Monica Seles, Roger Federer und Naomi Osaka hatten ebenfalls ihre ersten vier Titelmatches bei Major-Turnieren gewonnen.

Die Ausnahmeathletin, seit rund zwei Wochen 22 Jahre alt, ist auch die einzige Spielerin mit so vielen Grand-Slam-Pokalen, seit eine gewisse Serena Williams wenige Tage vor ihrem 21. Geburtstag über den Titel bei den US Open 2022 gejubelt hatte. Swiatek will vielleicht nicht offen sagen, wozu sie noch fähig ist. Die Zeichen sind aber nicht zu übersehen: zu sehr viel.

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Autor: Tobi
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