Carlos Alcaraz: Auf den Spuren Nadals
Auch wenn sich Vergleiche mit den größten Sportlern ihres Metiers stets als problematisch erweisen, sind die Parallelen zwischen Carlos Alcaraz und Rafael Nadal in seinen jungen Jahren unverkennbar. Dass dem neuen spanischen Hoffnungsträger eine Weltkarriere bevorsteht, scheint jedenfalls gewiss zu sein. Doch ob er auch einen nur annähernd ähnlichen Legendenstatus erreichen kann?
Alcaraz sieht Federer-Ansätze in sich
„Seit wir zusammen arbeiten, haben wir eine Sache klargestellt: Er ist Carlos Alcaraz, und Vergleiche sind wenig hilfreich", wollte Juan Carlos Ferrero von Anfang an festhalten, dass sein Schützling genauso wenig als Thronfolger von Rafael Nadal gesehen werden sollte, wie eine Version 2.0 des 21-fachen Grand-Slam-Champions.
– Trainer Juan Carlos Ferrero lehnt Vergleiche ab.
Ferrero verfügt einfach über zu viel Erfahrung, um in diese übliche Falle zu tappen. Für Alcaraz sei es in einer so frühen Phase seiner Karriere besser, nicht diese gewaltige Bürde auf sich zu nehmen. Der Rechtshänder aus Murcia, der natürlich auch die permanenten Schutzbehauptungen seines Coaches registriert, erwähnt seinerseits selbst bei jeder Gelegenheit, dass seine Spielanlage eher jener von Roger Federer gleicht als der seines berühmten Landsmannes - selbstverständlich ohne dabei nur irgendjemanden zu überzeugen.
Ähnliche physische Voraussetzungen
Der Spanier kann wohl nur schwer seine Nationalität verleugnen, noch seinen enormen Bizeps oder die ausgeprägt dunklen Augenbrauen. Und freilich auch nicht diese physische und emotionale Reife im jungen Alter von 18 Jahren. Ob es Alcaraz nun recht ist oder nicht, beschwört so ziemlich alles an ihm diese Vergleiche herauf.
Vor ihrem packenden Halbfinal-Fight vergangene Woche in Indian Wells gestand sogar Nadal, dass ihn Alcaraz an ihn selbst in jenem Alter erinnere. „Er hat diese unglaubliche Leidenschaft. Das Talent und seine physische Komponente sind beeindruckend."
Die Parallelen hören da aber nicht auf. Wie der 91-fache Turniersieger, der von Carlos Moya betreut wird, vertraut Alcaraz einem ehemaligen spanischen Champion der Neunziger-Jahre als Coach. Juan Carlos Ferrero, seines Zeichens French-Open-Sieger 2003, nahm die aktuelle Nummer 16 der Welt in der von ihm geführten Equelite Academy in Villena früh unter seine Fittiche.
Beide feierten Premierentitel mit 18
Und auch bei den Erfolgen ergeben sich ähnliche Karriereverläufe. Am kommenden Montag sollte Alcaraz mit 18 Jahren, zehn Monaten und 30 Tagen erstmals in die Top 15 der Welt vordringen. Nadal gelang dies nach seinem Monte-Carlo-Titel 2005 mit 18 Jahren, zehn Monaten und 15 Tagen.
Nadal verlor 2022 erstmals im 21. Match
Auch beim ersten Masters-Semifinale zuletzt in Indian Wells war Alcaraz gleich alt wie Nadal bei seinem Debüt der Vorschlussrunde eines ATP-1000-Turniers. Der Mallorquiner stieß in Key Biscayne 2005 ins Endspiel vor, in dem er Roger Federer nach einer 2:0-Satzführung unterlag.
Schneller war Alcaraz beim Erreichen seines ersten Grand-Slam-Viertelfinales. Bei den US Open avancierte er zum jüngsten Major-Teilnehmer unter den letzten Acht seit Michael Chang in Roland Garros 1990. Sollte der Modellathlet diese Woche in Miami triumphieren, würde er seinen ersten Masters-Titel ebenfalls früher bejubeln als Nadal.
Der amtierende Australian-Open-Sieger feilt indessen weiter an seinen Legendenstatus. Mit einer Matchbilanz von 20 Siegen und nur einer Niederlage legte er in diesem Jahr den besten Saisonstart seiner Karriere hin. Vor dem verlorenen Finale von Indian Wells gegen Taylor Fritz hatte Nadal in drei Stunden und zwölf Minuten Alcaraz niedergerungen.
Größeres Repertoire als Nadal mit 18 Jahren
Nichtsdestotrotz glauben Beobachter, dass der Teenager mit seinem variantenreichen Stil spielerisch weiter ist als der gefürchtetste Linkshänder der Tennisgeschichte in diesem Alter. Während Nadal mit 18 Jahren noch von seiner damals schon enormen Physis lebte, aber ansonsten eher defensiv agierte und über einen eher harmlosen Aufschlag verfügte, kann der nicht minder aggressiv auftretende Alcaraz nicht nur den Takt der Matches vorgeben, sondern sich auch der Spielanlage des Gegners schnell anpassen.
Startet Alcaraz auf Sand durch?
Die derzeitige Hochform erinnert an jene von Nadal 2005, als er nach dem verlorenen Key-Biscayne-Finale gegen Federer auf Sand explodierte und mit 19 Jahren seinen ersten von insgesamt 13 French-Open-Titel einsackte. Dieses Alter wird übrigens auch Carlos Alcaraz zu Beginn der French Open im Mai haben.
Ob er die Versprechungen erfüllen kann? Schwer zu beurteilen, allerdings lässt sich die Ausgangslage nicht ganz mit der von Nadal vergleichen. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass es Alcaraz mit dem noch immer aktiven, besten Sandplatzspieler aller Zeiten zu tun bekäme, wie auch mit Novak Djoković, der nach derzeitigem Stand in Roland Garros antreten darf.