Das perfekte Mindset: Im Kopf von Novak Djoković

tobi-redaktionTobi
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Dank der Unterstützung jener Fachkräfte, mit denen er sich seit Jahren umgibt und seiner unerschütterlichen Liebe zum Detail schaffte es Novak Djoković, jegliche Widrigkeit auf dem Weg nach oben zu überwinden und sich als besten Tennisspieler der Welt zu etablieren. Seine Mission ist aber noch lange nicht beendet.

Fokus sofort nach vorne gerichtet

Nach schmerzvollen Niederlagen füttern Topathleten die Medien gerne mit Stehsätzen, wie sie doch aus der großen Enttäuschung lernen wollen und durch diese negativen Erfahrungen nur noch stärker werden. Auf Novak Djoković scheint diese Sportlerweisheit tatsächlich zuzutreffen. Die Gabe des Weltranglistenersten, seinen Fokus sofort wieder nach vorne zu richten, sucht zumindest im Tennissport seinesgleichen.

Das jüngste Beispiel lieferte er gegen Ende der abgelaufenen Saison. Nur einen einzigen Sieg vom für in Fachkreise als beinahe unmöglich erachteten Kalender-Slams entfernt, war Djoković im Finale der US Open eine erschütternde Pleite widerfahren, daraufhin legte er ein 50 Tage lange Auszeit ein. Bei seiner Rückkehr auf die Tour holte sich der 34-Jährige beim Masters-Turnier von Paris-Bercy auf Anhieb den begehrten Pokal. Im Endspiel musste Daniil Medvedev dran glauben, der ihn in New York vorgeführt hatte.

Zusammenfassung der Highlights aus dem Finalspiel bei den Paris Masters.


Jedes Detail wichtig

Im Austausch mit serbischen Journalisten, erklärte der nun mit 37 ATP1000-Titeln alleinige Masters-Rekordhalter in der französischen Hauptstadt, welche Charaktereigenschaften es ihm ermöglichen, konstant sein außergewöhnliches Potenzial auszuschöpfen und unmittelbar nach niederschmetternden Niederlagen wieder zurückzuschlagen.

Wenn du in einem derart fordernden Einzelsport erfolgreich sein möchtest, musst du erst einmal verstehen, dass jedes Detail wichtig ist", führte Djoković aus. „Wie viel du trainierst, wie du die Einheiten gestaltest, welches Umfeld du dir schaffst, was du isst, wie du schläfst, usw. All diese Dinge beeinflussen das Endprodukt und die Ergebnisse auf dem Platz. Ich bin mir dessen voll und ganz bewusst. Und dieses Bewusstsein ist mit zunehmender Erfahrung gekommen."

Stets auf der Suche nach Lösungen

Neben all seinen statistisch festgehaltenen Errungenschaften könnte das größte Vermächtnis des Belgraders vor allem die beispiellose Professionalität werden, die er auf ein noch nie da gewesenes Level hob. Wie es in seiner Gedankenwelt aussieht, weiß etwa Dr. Igor Četojević.

Novak hat immer einen langfristigen Plan", berichtet der Ernährungswissenschafter, der vor zehn Jahren die Gluten-Intoleranz von Djoković diagnostiziert hatte. „Mit dieser Vision vor sich, stellt er ständig Fragen, warum wir dies und jenes tun. Er ist sehr intelligent und sucht deshalb stets nach Lösungen."

„Er ist sehr intelligent und sucht deshalb stets nach Lösungen."
– Dr. Igor Četojević über Novak Djoković.

Četojević habe oft mit ihm geflachst, dass der Tennisstar mit seiner Gründlichkeit und Eigenverantwortung die Mentalität eines Deutschen hätte. „Wenn wir zum Beispiel etwas Neues ausprobieren wollten, hat er das Programm immer bis zum Ende durchgezogen und dann erst entschieden, ob es es weiterführen möchte oder nicht. In dieser Hinseicht ist er sehr konsequent."

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Lebenseinstellung nach Socrates

Djoković führt diese Denkweise auf seine Erziehung und auf jene Leute zurück, die ihn zu den Menschen formten, der er heute ist. „Klar hatten meine Eltern einen Rieseneinfluss auf mich. Aber auch Größen des Spiels wie Jelena Genčić oder Niki Pilić. Sie waren wichtige Mentoren und Lehrer für mich - nicht nur im Sport, sondern auch im Leben." Und: „Ich habe sehr viel von ihnen gelernt, was aber nicht bedeutet, dass meine Arbeit erledigt ist." Dazu zitiert der 20-fache Grand-Slam-Sieger den griechischen Philosophen Socrates: „Ich weiß, dass ich nichts weiß. So lautet meine Lebenseinstellung."

„Ich weiß, dass ich nichts weiß. So lautet meine Lebenseinstellung."
– Djoković schöpft aus der Weisheit der antiken Philosophen.

Wenn Djoković also im Finale von Paris-Bercy gegen Medvedev 22-mal am Netz aufkreuzt oder entscheidende Punkte im Wimbledon-Endspiel gegen Matteo Berrettini mit Serve-and-Volley gewinnt, haben diese Taktik-Anpassungen viel mit seiner Bereitschaft für Veränderungen zu tun.

Horizonterweiterung im Trainingsprogramm

Ich bemühe mich, aufgeschlossen zu sein und ständig neue Reize in meinem Leben zu setzen - ob beim Training, der Ernährung oder beim mentalen Zugang." Er sei auch bereit, alles, was ihm einen Vorteil bringe und sein Spiel verbessere, auszuprobieren. „Natürlich habe auch ich meine Routine. Diese Routine kann aber adaptiert werden, weil ich mich auch als Mensch verändere. Wir alle müssen uns ständig weiterentwickeln."

infoIm Verlauf seiner Karriere hat Djoković in sein Trainingsprogramm Yoga und Meditation aufgenommen, mit Fokus auf Atemübungen. Seine Tennistechnik hat er einschneidend bei der Vorhand und Aufschlagbewegung geändert. Und im Fitnessbereich schwitzt er nicht nur in der Kraftkammer und am Court, sondern arbeitet auch beim Radfahren, Schwimmen und andere Sportarten an der Ausdauer.

Was ihn ebenfalls von der Konkurrenz unterscheidet, ist die unglaubliche Dehnfähigkeit und das Vermögen, sich aus schier unmöglichen Positionen zu Schlägen zu stretchen. „Novaks Elastizität hat ihn über weite Phasen seiner Karriere verletzungsfrei gehalten", ist sein ehemaliger Physiotherapeut Miljan Amanović überzeugt. „Diese scheinbar unerreichbaren Bälle und Rutscheinlagen auf allen Belägen hätten bei anderen Spielern garantiert Bänder- oder Gelenkschäden verursacht. Seine Muskeln sind aber so präpariert, dass sie seinen Körper schützen."


Trotz Niederlage zum Saisonabschluss: Das Jahr beschließt Djoković zum 7. Mal als Nummer 1 der Welt.

Herausfordernder Schüler

Stillstand bedeute Rückschritt, wie Djoković nicht müde wird, zu betonen. Deshalb will er keinesfalls das Risiko eingehen, selbstgefällig zu werden. Auch der seit Wimbledon 2019 zum Betreuerstab des Serben zählende Goran Ivanišević gesteht, dass es nicht immer einfach ist, mit dem prominenten Schützling zu arbeiten. „Viele Dinge führt er einfach perfekt aus", verrät der Kroate. „Manches kann man nicht besser machen. Und wenn genau da Meinungsverschiedenheiten auftreten, wird es schwierig. Sein Return ist der beste, den es im Tennis jemals gab. Und trotzdem glaubt er, daran feilen zu müssen."

„Sein Return ist der beste, den es im Tennis jemals gab. Und trotzdem glaubt er, daran feilen zu müssen."
– Goran Ivanišević über Djoković' Perfektionismus.

Doch just diese unterschiedlichen Standpunkte würden den Job so interessant machen, fügt Ivanišević hinzu. „Ich habe durch die Arbeit mit Novak viele neue Blickwinkel des Sports kennengelernt und mich als Coach weitergebildet. Klar kann es ab und an hitzig und intensiv werden, vor allem während der Matches. Doch alles in allem arbeiten wir sehr gut zusammen."

Rekordjagd als Motivation

hinweis ausrufezeichenDjoković macht keinen Hehl daraus, seinen Antrieb in Meilensteinen und Rekorden zu finden. Auch wenn er in der Vorschlussrunde der ATP Finals am späteren Champion Alexander Zverev scheiterte, schloss er das Jahr zum siebten Mal als Nummer eins der Welt ab, öfter gelang dies keinem Spieler.

Bei den ATP Finals scheiterte Djokovic an Alexander Zverev.


Im Tennis bleibe jedoch nicht viel Zeit zum Feiern und historische Leistung zu analysieren, sagt der 86-fache Turniersieger, der mit knapp 155 Millionen Dollar mehr Preisgeld eingespielt hat als jeder Profi vor ihm. „Der Fokus ist immer auf die nächste Challenge gerichtet." Wann genau diese Herausforderung ansteht, ist allerdings offen. Denn seinen Impfstatuts (TennisWetten.de berichtete) hält der Superallrounder weiterhin bedeckt. Und die Australian Open, wo nur vollimmunisierte Spieler teilnahmeberechtigt sind, wären im Falle seiner Abwesenheit um eine gewaltige Attraktivität ärmer.

„Der Fokus ist immer auf die nächste Challenge gerichtet."
– Djoković hält sich nicht allzu lange mit dem Feiern von Erfolgen auf.

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Autor: Tobi
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