Frances Tiafoe: Der ideale Botschafter für das US-Tennis

tobi-redaktionTobi
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Während der Tennissport einen weltweiten Boom erlebt, kommt der so wichtige amerikanische Markt nur sehr schleppend in Schwung. Mit seiner extrovertierten Persönlichkeit, dem begnadeten Showtalent und den nötigen Leistungen auf dem Court scheint in Frances Tiafoe aber der perfekte Mann zur Akquise neuer Fans gefunden zu sein. Bereitschaft, sich in den Dienst der Sache zu stellen, zeigt der Stuttgart-Sieger allemal.

Fan-Clique im Queen's Club

„Ti-a-foe, Ti-a-foe!" Die Rufe am Londoner Queen's Club waren über Court 1 hinaus hörbar. „Er stammt aus Amerika und spielt Tennis." Zugegeben, die Gesänge klangen nicht wirklich so mitreißend, wie man es von enthusiastischen Sportfans gewohnt ist und kamen aus nur drei Kehlen. Zudem dürften die Arm in Arm auf den Rängen taumelnden Männer an jenem Tag schon das eine oder andere Pint Bier geschlürft haben.

Doch Francis Tiafoe nahm die Unterstützung dennoch gerne an, fertigte den Niederländer Botic van de Zandschulp zum Auftakt des Rasenklassikers mit 6:2, 6:4 ab und bedankte sich im Anschluss per erhobenem Racket und einem in ihre Tribünenrichtung geschlagenen Slice bei seinen drei lautesten Anhängern.

Weissenhof spült Tiafoe in die Top 10

Die Loblieder kamen allerdings mit einiger Verspätung. Denn zwei Tage zuvor hatte Tiafoe bei den Boss Open in Stuttgart den vielleicht befriedigendsten Titel seiner Karriere errungen, sich im Tiebrak des Entscheidungssatzes gegen den Jan-Lennard Struff durchgesetzt. Der Warsteiner musste unterdessen in seinem dritten ATP-Finale die dritte Niederlage hinnehmen.

Für den Mann aus Maryland war es hingegen sein premierer Turniersieg auf Rasen, der erste außerhalb der Vereinigten Staaten. Die schönste Begleiterscheinung stellte laut eigener Aussage aber der erstmalige Sprung in die Top 10 der Weltrangliste dar.

Für einen Typen wie mich mit meiner ganzen Geschichte ist das super emotional", sagte Tiafoe nach dem Endspiel.

Ich sollte wahrscheinlich nicht einmal hier sein. Dass mein Name jetzt in der Liste der besten zehn Tennisspielern der Welt aufscheint, kann mir niemand nehmen."

Entscheidende Details verbessert

Rasentennis bedeutet oft Tiebreak-Tennis. Am Stuttgarter Weissenhof wies Tiafoe eine Bilanz von 5:1 auf. Dass er den letzten gegen Struff mit 10:8 gewann, indiziert bereits, warum er so weit vorne im Ranking gereiht ist und wie weit ihn sein Tennis seit Beginn der Zusammenarbeit mit Coach Wayne Ferreira geführt hat.

An schnellen Beinen und einem feinen Handgelenk hat es Tiafoe nie gefehlt, am vergangenen Sonntag zeigte der 25-Jährige aber, wie gut er inzwischen die kleinen Details des Spiels löst und auch humorlose Bälle schlägt, die Sieger von Verlierern unterscheidet.

Tennis Wetten IconEin Beispiel gefällig? Bei 4:5 im dritten Satz servierte Tiafoe mit dem zweiten Aufschlag einen ebenso riskanten wie exzellenten Kick nach außen, einen Matchball wehrte er mit einen perfekt kontrollierten Backhand-Winner auf die offene Platzseite ab. Seine zweite Gelegenheit auf den Titelgewinn nutzte der Rechtshänder mit einem spektakulären Half-Volley-Stopp, nachdem er den Überkopfball zuvor genau in Struffs Lauf geschmettert hatte. Bei der Siegerehrung scherzte Tiafoe mit dem Publikum, dass er auf den Smash hin eigentlich zum Trinken beginnen wollte.

Beliebter Alleinunterhalter

Eine alte Tennismär besagt, dass schlechte Schauspieler gut für das Spiel sind, was allerdings implizieren würde, zwei Dummköpfe zu brauchen, um neue Fans anzulocken. Tiafoe widerlegt diese These. Der Exzentriker ist ein Showman durch und durch, der stets versucht, die Zuseher mitzureißen, um selbst sicher zu gehen, dass sie noch da sind. Und sie geben immer Feedback - wie bei seinem Run ins letztjährige US-Open-Semifinale oder auch zu Beginn der Saison in Melbourne, wo er von den Australiern abgefeiert wurde, als wäre er einer von ihnen.

Klar, Tiafoe hat schon jede Menge Schläger zerhackt. Doch gilt er unter den Kollegen als äußerst beliebt, sie erachten ihn als positive Erscheinung auf der Tour, wo auch immer er spielt. Zudem ist der vielleicht etwas schräge Vogel ein hervorragender Botschafter für das amerikanische Tennis und die USA als Ganzes: Als Sohn von Einwanderern aus Sierra Leone hatte er den Sport auf einer Anlage erlent, wo sein Vater als Platzwart arbeitete.

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Titel auf drei unterschiedlichen Belägen

Über das Entwicklungsprogramm des US-Verbandes schaffte es Tiafoe ins Profigeschäft und heuerte den Südafrikaner Wayne Ferreira an, als man glaubte, dass er sein Plafond jenseits der Top 50 schon erreicht hatte. Seit Montag ist er der dritte afroamerikanische Spieler unter den besten zehn der Welt nach Arthur Ashe und James Blake. Und erstmals seit elf Jahren zählen mit ihm und Kumpel Taylor Fritz wieder zwei US-Boys zur absoluten Tenniselite.

Für amerikanische Profis der letzten Jahre ganz untypisch, gewinnt Tiafoe auch auf unterschiedlichen Belägen und selbst fern der Heimat. Vor dem Triumph Stuttgart hatte er 2018 das Hardcourt-Turnier in Delray Beach und in diesem Jahr das Sandplatz-Event in Houston für sich entschieden, in Wien, Tokio und zweimal in Estoril war jeweils im Finale Endstation gewesen.

Talent zum Menschenfänger

Das kritische amerikanische Tennispublikum misst den Erfolg eines Spielers aber an der Anzahl an Grand-Slam-Titeln. Major-Trophäen hat sich Frances Tiafoe freilich früh als Karriereziel gesetzt, sein geduldiger, hart erarbeiteter Durchbruch gibt aber Hoffnung, den so wichtigen US-Markt zurückzuerobern. Um neue Fans, Communities und eventuell sogar zukünftige Champions zu akquirieren, scheint der junge Entertainer mit seiner positiven Ausstrahlung aber genau der richtige Mann zu sein. Und er ist mehr als bereit, die schwierige Aufgabe zu übernehmen.

ZitatSollte es da draußen Kinder geben, die nicht glauben, dass sie Träume verwirklichen können, will ich das in ihren Köpfen ändern", schrieb Tiafoe auf der ATP-Website, nachdem er 2020 mit dem Arthur Ashe Humanitarian Award für seinen herausragenden sozialen Beitrag an die Gesellschaft geehrt worden war. „Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder von uns Erfolg haben kann und will Kindern vorzeigen, was tatsächlich möglich ist. Ich will ihnen helfen, Dinge umzusetzen."

Bleibt nur zu hoffen, dass diese im Queen's Club vernommenen „Ti-a-foe, Ti-a-foe"-Anfeuerungen vor allem in Tiafoes Heimat lauter werden.

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Autor: Tobi
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