Olympia 2024: Russland-Frage bleibt ungeklärt
Die vom 26. Juli bis 11. August 2024 in Paris stattfindenden XXXIII. Olympischen Sommerspiele werfen längst ihre Schatten voraus. Eine Entscheidung über die Teilnahmeberechtigung von Sportlern bzw. Mannschaften aus Russland und Belarus scheint das IOC indes möglichst lang hinauszögern zu wollen. Anders als auf den Profi-Touren wird es für Tennis wohl keine Sonderregelung geben.
Boykotts 1980 und 1984
In einem Jahr werden in Paris die Spiele der XXXIII. Olympiade eröffnet. Und seit dem Boykott der Spiele 1980 in Moskau durch dien Westmächte am Höhepunkt des Kalten Krieges und dem darauffolgenden Fernbleiben der meisten Ostblock-Staaten von den Wettkämpfen im Zeichen der Ringe 1984 in Los Angeles stand das größte globale Sportfest nie mehr so sehr im politischen Brennpunkt wie das bevorstehende Großereignis in der französischen Hauptstadt.
Nachdem der russische Machthaber Vladimir Putin am 24. Februar 2022 mit seinem Überfall auf die Ukraine begonnen hatte, rief Thomas Bach noch dazu auf, Russland von allen internationalen Wettbewerben auszuschließen, u.a. um die Sicherheit der Athleten nicht zu gefährden, wie er begründete.
Unterschiedlichste Positionen
Mit dem Näherrücken der Veranstaltung in Paris 2024 vollzog der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees eine Kehrtwende. Nur wenige Monate nach der russischen Invasion des Nachbarlandes vertrat Bach plötzlich den Standpunkt, dass ein Ausschluss Russlands und dessen Verbündeten Belarus eine unerlaubte Diskriminierung darstellen würde und nicht mit der olympischen Charta vereinbar wäre. Lediglich die Verwendung ihrer Flaggen, Nationalhymnen und Ausrüstung in den jeweiligen Landesfarben sollte den beiden Staaten untersagt werden.
Andere Disziplinen, darunter die olympische Kernsportart Leichtathletik, wollen den Ausschluss aufrecht erhalten, eine einheitliche Linie scheint bis heute nicht in Sicht zu sein. Auch zahlreiche prominente Olympiamedaillengewinner stehen einer Teilnahme dieser Nationen ebenso negativ gegenüber wie gewichtige Politiker, so die Pariser Bürgermeister Anne Hidalgo und der ukrainische Präsident Volodymyr Zelenskyy, der gar mit Boykott der Spiele droht.
Tennis geht eigenen Weg
Tennis nimmt eine Sonderrolle ein und wird von Befürwortern der Wiederaufnahme russischer und belarussischer Sportler gerne als funktionierendes Beispiel herangezogen. Auf den beiden großen Touren ATP und WTA sind Profis aus diesen Ländern zugelassen, bei Nationenbewerben wie dem Davis Cup oder dem Billie Jean King Cup dürfen sie allerdings nicht antreten.
Auch in Wimbledon nahmen Aryna Sabalenka, Daniil Medvedev und Co. in diesem Jahr wieder teil, nachdem ihnen die britische Regierung 2022 noch die Einreise verwehrt hatte. Selbst Akteurinnen und Akteure aus der Ukraine entziehen sich nicht der sportlichen Konfrontation mit Gegnern aus Russland und Weißrussland, verzichten aber in der Regel auf den traditionellen Handshake nach dem Match.
„Es kommt durchaus hin und wieder zu Spannungen in der Kabine", gesteht David Haggerty, Präsident des internationalen Tennisverbandes ITF.
– David Haggerty, ITF-Präsident, über den Umgang der Tennisprofis mit der Situation.
Wer nun beim olympischen Tennisturnier 2024 im Stade Roland-Garros letztlich starten darf, kann auch der US-Amerikaner noch nicht beantworten.
Schlingelkurs des IOC
Jede Sportart habe eigene Zugänge zu diesem Thema, weiß auch Francesco Ricci Bitti, Chef der Vereinigung olympische Sommersportverbände. „Wir sind weit davon entfernt, uns auf eine gemeinsame Position zu einigen."
Ebenso umstritten sind die diversen Qualifikationen für das Mega-Event. In einigen Sportarten haben mit ihren Vorausscheidungen bereits begonnen, nicht alle Verbände wollen Athleten und Mannschaften aus Russland und Belarus dafür zulassen, so zum Beispiel die internationale Basketball-Föderation.
Thomas Bach spielt auf Zeit
Unterdessen verbietet sich Thomas Bach jegliche Einmischung von außen. „Die Geschichte wird zeigen, wer mehr für den Frieden tut", richtete der Fecht-Olympiasieger, Jurist und ehemalige FDP-Politiker bei der alpinen Ski-Weltmeisterschaft in Courchevel im Februar pathetische Worte an die Kritiker der IOC-Position.
Eine Frist wollte sich Bach für die brisante Entscheidung nicht setzen. „Ich fürchte, eine solche Situation, eine solche Deadline, könnte dazu führen, dass man sich bis dahin sehr regelkonform verhält und dass danach gegebenenfalls die Dinge außer Kontrolle geraten." Im Rahmen der Zeremonie verschickte das IOC am Mittwoch die Einladungen für die Spiele in Paris 2024. An die nationalen olympischen Komitees von Russland und Weißrussland waren diese formalen Schreiben vorerst nicht gegangen.