Rafael Nadal: Nummer 21 in denkwürdiger Manier

tobi-redaktionTobi
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So wirklich auf dem Zettel hatte Rafael Nadal bei den Australian Open wohl kaum ein Beobachter. Auch er selbst zweifelte. Doch dank seines beispiellosen Kampfgeistes legte der 35-Jährige im Rennen um die meisten Grand-Slam-Titel vor. Ob der Spanier von seinen Dauerrivalen Novak Djoković und Roger Federer überhaupt noch einzufangen ist?

Eines der emotionalsten Matches

Nach 5 Stunden und 24 Minuten voller Drehungen und Wendungen und einem 0:2-Satzrückstand ließ Rafael Nadal den Schläger auf den Court der Rod Laver Arena fallen, verdeckte das Gesicht mit seinen getapten Fingern, schüttelte den Kopf und lächelte. Grand-Slam-Titel Nummer 21 war bei den Australian Open 2022 eingesackt.

Die Highlights aus dem Australian Open Finale 2022.


Als „einfach unvergesslich", beschrieb er das 2:6, 6:7 (5), 6:4, 6:4, 7:5 gegen Daniil Medvedev. Ein nicht mehr für möglich gehaltenes Ergebnis, nachdem der Spanier Mitte des dritten Satzes drei Breakbälle abwehren musste. „Es war sicherlich eines der emotionalsten Matches meiner Tenniskarriere", meinte er und klopfte mit der rechten Hand ans Herz.

„Es war sicherlich eines der emotionalsten Matches meiner Tenniskarriere."
– Roger Federer über das Australian Open-Finale gegen Daniil Medvedev.

Von Selbstzweifel geplagt

Der Triumph stellte in mehrfacher Hinsicht eine passende Art dar, sich zumindest für den Augenblick von Roger Federer und Novak Djoković abzuheben. Nadal hatte aufgrund quälender Schmerzen im linken Fuß eine fünfmonatige Auszeit nehmen müssen, an seiner Fitness ebenso gezweifelt wie an seiner Form und sich allgemein um seine Zukunft im Tennissport gesorgt.

pokalDoch mit seinem unnachgiebigen Spiel, gestützt vom unbändigen Glauben, zog er in eine epische Schlacht, die am Sonntag Abend beginnen und erst in den frühen Morgenstunden am Montag enden sollte. Zuletzt war es einem gewissen Roy Emerson vor 57 Jahren gelungen, das Finale der Australian Open nach Verlust der ersten beiden Sätze zu gewinnen. „Unwirklich", lautete Medvedevs knappe Zusammenfassung des Showdowns.

Wann spielen Federer und Djoković wieder?

hinweis ausrufezeichenNadal avanciert mit dem Titelgewinn in Melbourne zum ersten Mitglied der Big Three und gleichzeitig ersten Spieler der Geschichte, der mehr als 20 Majors in Herren-Einzelbewerben holen konnte. Seine zwei großen Rivalen hatten jeweils die Möglichkeit, vorzulegen: Federer verlor aber das Wimbledon-Endspiel 2019 gegen Djoković, der wiederum zog im Finale der US Open 2021 gegen Medvedev den Kürzeren.

Nun hat sich Nadal eine Stufe über die beiden gestellt. Und erstmals in seiner Laufbahn hält der 35-Jährige bei mehr Grand-Slam-Erfolgen als Federer, der inzwischen 40 Lenze zählt und nach einer ganzen Serie an Knieoperationen die Australian Open auslassen musste. Realistischerweise wird der Schweizer bei 20 Titel stehen bleiben.

nadal-djokovic-federerDer ewige Vergleich der Big Three: Das Podest gebührt nunmehr Rafael Nadal.MehrWeniger

Djoković, der 34 Jahre alt ist, verpasste das in der Vergangenheit neun Mal von ihm gewonnene Turnier nach einer elf Tage dauernden Posse um sein Einreisevisum nach Australien. Ob der nicht gegen Covid-19 geimpfte Weltranglistenführende an den kommenden Majors in Paris, London und New York teilnehmen kann, ist derzeit fraglich.

Turnier schmerzfrei überstanden

Dennoch räumte kaum jemand vor zwei Wochen, als die Australian Open begannen, Nadal große Chancen ein, weit zu kommen, geschweige denn, den Titel zu gewinnen. Zu den Skeptikern zählte auch der Linkshänder selbst. Schon allein wieder auf die Tour zurückzukehren, versetzte ihn fast in Ekstase, nachdem er in der zweiten Hälfte der Vorsaison wegen chronischer Fußbeschwerden nur zwei Matches bestritten hatte.

Monatelang war er nicht einmal imstande, trainieren zu können. Dementsprechend hatte Nadal auch kein Ahnung, wie er im Melbourne Park performen und wie sehr sein Körper in Best-of-Five-Matches bestehen würde - und schlimmer, wie viele solcher Turniere er noch spielen könnte.


Auf Instagram präsentiert Nadal seinen Fans stolz die Trophäe.


Heute habe ich keine Schmerzen verspürt", gab der nunmehr zweifache Melbourne-Sieger Entwarnung, der sieben seiner Grand-Slam-Titel nach seinem 30. Geburtstag gefeiert hatte. „Wie ihr gesehen habt, konnte ich ohne Einschränkungen laufen. Ich weiß nicht, was morgen passiert. Aber ich bin glücklich, bloß Tennis spielen zu können. Ein unglaubliches Gefühl."

Fußverletzung zwingt Nadal zu eigenem Kalender

Schließlich sei seine komplizierte Verletzung irreparabel. „Immerhin konnte ich jetzt einen Monat lang spielen. Das ist sehr viel und gibt mir die Energie, weiterzumachen." Während der letzten Monate kamen jedoch immer wieder Zweifel auf. „Lange Zeit gab es gar keinen Fortschritt. Null. Zu wissen, dass die Verletzung nie ausheilen wird, ist mental brutal." Doch plötzlich genießt er das Gefühl, wieder auf der Tour zu sein. „Aber ich werde meinen eigenen Kalender erstellen müssen."

„Lange Zeit gab es gar keinen Fortschritt. Null. Zu wissen, dass die Verletzung nie ausheilen wird, ist mental brutal."
– Nadal über seinen schwierigen Weg zurück auf die Tour.

Erst im Finale, sah sich der Mallorquiner mit einem signifikant jüngeren (25) und in der Weltrangliste besser positionierten (2) Gegner konfrontiert, der nicht nur den letzten Grand-Slam-Titel in Flushing Meadows errungen, sondern auch das letztjährige Finale in Melbourne erreicht hatte.

Daniil-Medvedev-1024x683Favorit Daniil Medvedev unterlag im Finale der Australian Open.MehrWeniger

Erinnerung an vier Finalniederlagen

Den Triumph zelebrierte Nadal 13 Jahre nach seinem ersten Sieg bei den Australian Open, danach musste er vier Finalniederlagen in der Rod Laver Arena hinnehmen. Diese bitteren Erinnerungen wurden auch am Sonntag geweckt. „Ich habe mir das ganze Match über gesagt, dass ich hier oft verloren habe, obwohl Chancen da gewesen wären. Einige Male hatte ich auch ein bisschen Pech. Ich wollte diesmal nur bis zum Ende daran glauben."

Offenbar mit Erfolg. Die Wende leitete Nadal beim Stand von 2:3 und 0:40 im dritten Satz ein. „Ich wurde etwas angespannter", blickte Medvedev auf jenen Moment des Matches zurück. „Taktisch habe ich nichts geändert. Ich habe das Gefühl, richtig an die Sache herangegangen zu sein. Aber Rafa wurde stärker."

„Rafa wurde stärker."
– Medvedev über den Moment, als er merkte, dass Nadal das Ruder übernahm.

Gleicher Siegeswille wie zu Beginn der Karriere

Wie eben so oft im Verlauf der Jahre, seit dem ersten Grand-Slam-Sieg als Teenager bei den French Open 2005. Die Caprihosen von damals hat er inzwischen gegen Shorts eingetauscht. Seine Muskelshirts haben heute Ärmel. Die langen Locken wurden gestutzt. Doch der giftige Lefty-Schwung? Die zermürbende Punkt-für-Punkt-Mentalität? Der unverkennbare Wille? Alles noch vorhanden.

Sowohl Roger Federer als auch Novak Djoković verneigten sich in Grußbotschaften über die sozialen Medien vor Rafael Nadals Kampfgeist. Neben den 13 Titeln in Roland Garros errang der Stier aus Manacor vier bei den US Open und jeweils zwei in Wimbledon und Melbourne. Nur Djoković konnte im modernen Tennis ebenfalls jedes Grand-Slam-Turnier zumindest zweimal gewinnen.


Djokovic tweetet seine Glückwünsche an Ashley Barty und Rafael Nadal.


Wie ist der Sieg also einzustufen?Zweifellos der unerwartetste. Und der überraschendste. Für jeden, glaube ich… Speziell für mich persönlich. Weil ich weiß, wie ich hier hergekommen bin", gestand Nadal um etwa 3 Uhr früh Ortszeit in Melbourne. „Ich bin, ehrlich gesagt, noch immer physisch zerstört. Ich kann nicht einmal klar denken. Ich kann mich kaum ans Match erinnern."

„Zweifellos der unerwartetste."
– Nadal über seinen Sieg in Melbourne.

Vielleicht nicht. Doch wird er sich noch sehr lange an das Gefühl danach erinnern.

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Autor: Tobi
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