Casper Ruud: Auf der Suche nach der Form
Die letzte Tennissaison hatte Casper Ruud noch in luftigen Höhen abgeschlossen. In diesem Jahr will die ehemalige Nummer zwei der Welt aber nicht so recht abheben, bisher konnte er noch keine zwei Matches in Folge gewinnen. In Miami droht schon der nächste Rückschlag, der bevorstehende Wechsel auf europäischen Sand gibt dem zweifachen Grand-Slam-Finalisten allerdings Grund zur Hoffnung.
Finale in Paris und New York
Verletzungen zu denkbar schlechten Zeitpunkten, Rücktritte von Allzeit-Ikonen und Konflikte zwischen Starspielern und der ATP warfen in den zwei postpandemischen Jahren teilweise ein schiefes Licht auf die Herren-Tour.
Demgegenüber stand der stets ruhige, unaufgeregte Casper Ruud, der mit harter, konsequenter Arbeit zunächst langsam, dann schneller, die Ranking-Leiter hochkletterte. Folgerichtig erreichte die Entwicklung in vier großen Endspielen 2022 ihren Höhepunkt, darunter jene in Roland Garros und Flushing Meadows.
Knack nach dem Saisonfinale
Doch seit dem Erreichen des Titelmatches bei den ATP Finals in Turin ist die Formkurve plötzlich Richtung Süden geknickt. Bei den Australian Open war Ruud, der den Happy Slam in Melbourne im Jahr zuvor verpasst und deshalb 2023 keine Punkte zu verteidigen hatte, sogar mit der mathematischen Chance auf die Weltranglistenführung angetreten.
Doch bei all seinen fünf Turnierstarts in dieser Saison schaffte es die Nummer vier der Welt nicht, zwei aufeinanderfolgende Matches zu gewinnen.
Die jüngste Enttäuschung erlebte er bei den BNP Paribas Open in Indian Wells. Bei der grässlich anzusehenden Zweisatz-Niederlage gegen den Chilenen Cristian Garin unterliefen Ruud 24 unerzwungene Fehler, davon 20 von seiner an sich stärkeren Vorhandseite.
Exhibitons statt Vorbereitung
Die Frustration dürfte umso stärker sein, da offenbar durchaus Hoffnung bestand, dass die Puzzleteile nach dem fürchterlichen australischen Sommer letztlich ineinandergreifen würden. „Im Februar hatte ich nach einer kurzen Regenerationsphase ein paar Trainingswochen. Meine Saison ist erst in Acapulco so richtig losgegangen", zeigte sich der 24-Jährige vor dem ATP1000 in Kalifornien noch zuversichtlich.
Tatsächlich hatte Ruud nach seinem Durchbruch in die Weltspitze die neue Spielzeit ohne traditionelle Vorbereitung begonnen und war stattdessen mit seinem Vorbild und Akademie-Kollegen Rafael Nadal für eine Serie an Exhibitions durch Südamerika getourt.
Lehren für kommenden Winter
Nach einem Blitzurlaub auf den Malediven griff er zu Weihnachten bei einem weiteren Einladungsturnier in Abu Dhabi wieder zum Schläger. „Ich habe gehofft, beim United Cup und in Auckland gut trainieren zu können und ein bisschen Matchpraxis zu bekommen, bevor es nach Melbourne ging", erklärte der neunmalige Titelgewinners eines ATP-Events nach seiner überraschenden Zweitrundenniederlage bei den Australian Open gegen US-Boy Jenson Brooksby.
Blick Richtung Monte Carlo und Madrid
Die Probleme haben Ruud nichtsdestotrotz bis nach Nordamerika verfolgt, wo er beim nächsten Masters-Event kommende Woche in Miami eine beträchtliche Menge an Punkten aus seinem Vorjahresfinale zu verteidigen hat.
Einstellung gut, Resultate mangelhaft
Seine Hardcourt-Ergebnisse haben Ruud zu einem Top-3-Spieler gemacht, die rote Asche wird seine Karriere aber immer grundlegend definieren - ein Belag, auf dem seine extreme Topspin-Vorhand mit über 3200 Ballumdrehungen pro Minute wesentlich mehr Wirkung erzielt als auf schnellen Plätzen.
Und selbst wenn die jüngsten Niederlagen zumeist von vernichtenden Matchstatistiken begleitet waren, fehlte es dem von seinem Vater und ehemaligen Tourprofi Christian Ruud gecoachten Rechtsausleger nie an Kampfgeist.
Nuancen entscheiden
In Indian Wells war er im zweiten Durchgang gegen Garin mit Break zurückgelegen, schaffte aber den Ausgleich und war zweimal nur zwei Punkte von einem Entscheidungssatz entfernt. Oft wegen seines eher langweiligen Spielstils verspottet, schlug Ruud sogar erfolgreich einen Tweener an einem ansonsten durchwegs unbefriedigenden Nachmittag.
Offen bleibt, wie schnell Casper Ruud seinen Output von „so läuft's" auf „so lief's" ändern kann.